OGH Entscheidung zeigt neue Pitfalls bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten im Gesellschaftsrecht auf.

In einer bislang nicht publizierten Entscheidung des Fürstlichen Obersten Gerichtshofs vom Juli 2023 befasste sich der OGH mit der Frage, ob Personen die nach dem Recht des Sitzes der ausländischen Gesellschaft abberufen wurden, in Liechtenstein vertretungsbefugt sind. Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, besondere Gefahren und Hürden gerade bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten im Gesellschaftsrecht.

Im zugrundeliegenden Fall waren die Personen A und B mit Gesellschafterbeschluss wirksam als Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft abberufen worden. Da die Personen A und B ungeachtet ihrer Abberufung weiterhin im Namen der Gesellschaft im In- und Ausland (auch Liechtenstein) auftraten, ergingen am Sitz der ausländischen Gesellschaft einstweilige Verfügungen, gemäss welchen den Personen A und B zudem bei Strafe untersagt wurde, im In- und Ausland als Vertreter der Gesellschaft aufzutreten und Rechtshandlungen zu setzen. Zudem wurde mit Drittwirkung festgestellt, dass die Personen A und B nicht als Organe der Gesellschaft angesehen werden dürfen. Zur Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung wurde zudem ein Schiedsverfahren geführt.

Gleichzeitig bestanden jedoch noch über einige Zeit hinweg konträre Eintragungen im ausländischen Handelsregister, in welchen A und B noch als Geschäftsführer eingetragen waren. Auf diesen Handelsregistereintrag beriefen sich A und B.

A und B setzten in der Folge unter Missachtung der gegen sie am Sitz der Gesellschaft ergangenen einstweiligen Verfügungen Handlungen im Namen der Gesellschaft, welche zu unwiederbringlichen Nachteilen und Schäden führten. Insbesondere zogen sie Klagen und Rechtsmittel zurück, welche die Gesellschaft in Verfahren in Liechtenstein eingereicht hatte. Dabei beriefen sich A und B für ihre Vertretungsbefugnis auf den ausländischen Handelsregisterstand.

Die wahren Vertreter der ausländischen Gesellschaft setzen in der Folge für die Gesellschaft diverse Handlungen, um die von A und B gesetzten Handlungen rückgängig zu machen bzw. für unwirksam erklären zu lassen.

Das Fürstliche Obergericht gab den Anträgen Folge und erklärte die Handlungen von A und B für unwirksam. Das Fürstliche Obergericht vertrat mit der ausländischen Gesellschaft die Auffassung, dass die am Ort des Sitzes der Gesellschaft ergangenen einstweiligen Verfügungen Tatbestandswirkung haben und daher auch in Liechtenstein als relevant anzusehen sind.

Der OGH kam jedoch zu einem vollständig konträren Ergebnis. Der OGH führte aus, dass mangels bestehender Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung einstweiliger Verfügungen ausländische einstweilige Verfügungen in Liechtenstein keine Wirkung entfalten können. Entsprechend seien die von den ausländischen Gerichten gegen A und B erlassenen einstweiligen Verfügungen ohne Wirkung. Erst der Schiedsspruch des Schiedsgerichts, in welchem in der Hauptsache über die Frage der Abberufung der Personen A und B entschieden werde, sei aufgrund des New York Übereinkommens auch in Liechtenstein anzuerkennen und vollstreckbar.

Bis dahin müsse darauf abgestellt werden, wer im ausländischen Handelsregister eingetragen sei. Dies ungeachtet des Umstandes, dass die Eintragungen im Handelsregister nur deklarativ sind.

Weiters erachtete der OGH es auch als irrelevant, dass nach dem Recht am Sitz der Gesellschaft bereits der Beschluss der Gesellschafterversammlung wirksam zu einer Abberufung der Personen A und B führte und der widersprechende Handelsregisterstand am Sitz der Gesellschaft unbeachtlich wäre.

Die Entscheidung des OGH zeigt eindrücklich, dass gerade bei grenzüberschreitenden gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, gerade bei einem streitigen Austausch von Organen, besondere Vorsicht geboten ist. Denn selbst wenn Personen nach dem Recht am Sitz der Gesellschaft wirksam abberufen sind und dort keine wirksamen Rechtshandlungen mehr für die Gesellschaft setzen können, trifft dies nicht für Liechtenstein zu. Gemäss der aktuellen Rechtsprechen könnten bereits im Ausland wirksam abberufene Personen dennoch in Liechtenstein wirksame Rechtshandlungen für die Gesellschaft setzen, was zu unwiederbringlichen Schäden und Nachteilen für die Gesellschaft führen könnte.

Entsprechend ist es ratsam, bei grenzüberschreitenden gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, welche einen Bezug zu Liechtenstein haben, auch in Liechtenstein Massnahmen zu setzen, um die Wirksamkeit ausländischer Entscheidungen zu sichern.

Das Litigation Team von Niedermüller Rechtsanwälte unter der Führung von Dr. Matthias Niedermüller befasst sich regelmässig mit grenzüberschreitenden gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten und kann behilflich sein, die erforderlichen Massnahmen in Liechtenstein zu setzen.

2|2024